Jakob und seine Clique besuchen seit mehr als vier Jahren den Jugendladen auf dem Aschenberg. Dort bekommen sie Hilfe in allen Lebenslagen – wenn es an der Arbeit nicht mehr läuft oder im Ernstfall Stress mit dem Gesetz vor der Tür steht. Die Streetworker ermöglichen ihnen Dinge, auf die sie sonst verzichten würden.
Nichts los auf dem Aschenberg! Ist das wirklich so? Immerhin hat das Fuldaer Wohnviertel mittlerweile einen Sportverein – mit so vielen Fußballern, dass der Club eigentlich vier Teams für den Spielbetrieb anmelden könnte. Für Jugendliche ist es auf dem Aschenberg dennoch so eine Sache. Klar, die Outdoorangebote da oben sind super. Es gibt Bolz- und Basketballplätze, einen Skaterpark und eine Feuerstelle. Die Jugendlichen sind sich dort jedoch selbst überlassen. Und bei miesem Wetter fallen Kicken, Basketballspielen und Skaten ohnehin flach. Für viele junge Menschen, die im Bereich der Hochhäuser leben, ist der Jugendladen mit seinen Streetworkern auf dem Aschenbergplatz daher ein extrem wichtiges Angebot. Nicht nur als Treffpunkt. Wenn es in ihrem Leben mal nicht so rund läuft, bekommen sie dort Hilfe. Sei es bei Problemen mit Job und Wohnung oder mit dem Gesetz.
Jakob hat vor vier, vielleicht fünf Jahren Bekanntschaft mit den Streetworkern des Jugendladens gemacht. 17 Jahre ist er alt. Er lebt auf dem Aschenbergplateau – dort stehen die Hochhäuser Schulter an Schulter – und macht eine Ausbildung in einem Logistikunternehmen. Seit dem ersten Kennenlernen ist Jakob jede Woche im Jugendladen. “Damals hing ich mit meiner Clique, gut 30 Leute, beim Skaterpark rum”, sagt der 17-Jährige. “Zwei Streetworker sind auf uns zugekommen und haben uns gefragt, ob wir eine eigene Gruppe im Jugendladen haben und dort donnerstags immer etwas unternehmen wollen.” Seitdem haben er und seine Freunde viel erlebt.
Streetworker Alex: „Kiffende Kinder auf Aschenberg sind Einzelfälle“
Präsenz in ihrem Ort zeigen, das ist Teil des Jobs der Streetworker auf dem Aschenberg. Sie signalisieren den Jugendlichen: Wir sind da. Wir interessieren uns für euch, auch wenn ihr einmal durchhängt. Die Streetworker des Jugendladens bieten Jugendlichen eine Alternative zum Chillen auf der Straße und auf Plätzen und den möglicherweise damit verbundenen Problemen. Alkohol, Stress, Drogen, Perspektivlosigkeit. Solche Probleme gibt es auf dem Aschenberg – auch wenn sie die meisten Jugendlichen nicht betreffen.
Auf einem Spielplatz des Wohnviertels trifft sich regelmäßig eine kleine Clique und kifft, erzählen Jugendliche und Streetworker. Keine Große Sache? Na ja, die Mitglieder dieser Clique sind nicht einmal im Jugendlichenalter. Elf, zwölf Jahre sind sie alt. Kinder also. “Wir haben bei uns Gruppen, in denen ein paar von diesen Kindern sind”, sagt Alex Lang. Der 31-Jährige arbeitet seit etwa fünf Jahren als Streetworker im Jugendladen. “Natürlich kriegen wir das mit und sprechen das Thema an. Wir sagen ihnen, dass das keine gute Sache ist und was Kiffen mit ihnen macht. Es direkt zu verbieten, ist schwer. Dann kommen sie vielleicht nicht wieder.” Alex glaubt nicht, dass auf dem Aschenberg viele bereits in diesem Alter kiffen. Aber gerade diese Einzelfälle sind unter Umständen besonders auf die Hilfe der Streetworker angewiesen.
Reise nach Cluj
Das Thema Streetwork begleitet Alex eine Ewigkeit. Er ist auf dem Aschenberg aufgewachsen. Als Jugendlicher hat er selbst die Angebote des Jugendladens genutzt. “Ich konnte hier mit meinen Kumpels abhängen”, sagt der 31-Jährige. “Uns wurde aber auch etwas geboten. Ausflüge und Auslandsreisen. Da hätte ich sonst nicht gewusst, wo ich so etwas machen kann. Für viele war das auch eine finanzielle Frage.”
Ohne den Jugendladen hätten viele Jugendliche bestimmt nie Cluj – eine Stadt in Rumänien – kennengelernt. Reisen dorthin stehen schon lange auf dem Programm. Die Jugendlichen müssen nur einen geringen Betrag beisteuern. Der 17-jährige Jakob ist mit den Streetworkern bereits zweimal dort gewesen. “In der Nähe von Cluj haben wir mit Menschen, die auf einer Müllhalde leben, gesprochen”, sagt er. “Wir haben ihnen essen gebracht und geholfen, Dreck zu beseitigen.” Es sind Sinti und Roma, die auf dieser Müllhalde leben. Alex vermutet, dass sie aus der Stadt vertrieben wurden, damit es dort schöner ist.
Horizont mit sozialen Projekten und Reisen erweitern
Die Auslandsreisen des Jugendladens sind in der Regel mit einem sozialen Projekt verbunden. “Es ist nicht wie eine Klassenfahrt, während der man die ganze Zeit nur rumläuft, oder wie ein Urlaub”, sagt Alex. “Trotzdem haben die Jugendlichen genug Freizeit.” Marlene Stallberg ergänzt: “Wir bieten ihnen eine Möglichkeit, ihren Horizont zu erweitern und neue Eindrücke zu bekommen.” Die 21-Jährige ist Alex’ Kollegin. Sie studiert soziale Arbeit an der Hochschule Fulda und kümmert sich seit zwei Jahren um Jakob und seine Clique.
Die Clique ist anfangs ziemlich geschlossen in den Jugendladen gegangen. “Beim ersten Treffen waren alle dabei, eine Woche später waren es schon nicht mehr so viele”, sagt Jakob. “Mittlerweile sind wir 15 bis 20 Leute bei guten Ausflügen. Wird nur etwas besprochen, kommen vielleicht zehn.” Heute besteht der harte Kern der Clique, der immer dabei ist, aus fünf, sechs Personen. “Die Jungs und Mädels werden ja auch älter. Sie sehen sich nicht mehr die ganze Zeit, wie während der Schule”, sagt Alex. “Manchmal ändern sich Interessen und Hobbys.”
Aktiver Streetwork vor Ort
Und manchmal schlagen die Mitglieder einer Clique unterschiedliche Wege ein, geraten auf die schiefe Bahn oder ziehen sich zurück. “Wir sehen ja, wenn jemand nicht mehr so häufig oder gar nicht mehr kommt”, sagt Marlene. “Sie halten sich dann zum Teil an anderen Orten im Stadtteil auf.” Deswegen beschränken sich die Streetworker nicht darauf, im Jugendladen für die Jugendlichen da zu sein. “Wir gehen dann zu denen, die sich zurückgezogen habe, fragen ‘Wie geht’s?’, ‘Wo warst du die letzte Zeit?’, ‘Gibt es Probleme bei dir?’”, sagt Alex. “Man kommt ins Gespräch, und vielleicht sagt ein Jugendlicher dann ‘Hey, ich komme nächstes Mal wieder vorbei’.”
Im Jugendladen geht es nicht nur darum, sinnvoll mit der Freizeit umzugehen. Wer in Not ist, findet dort Unterstützung. “Wir helfen bei Bewerbungen und allgemein bei der Jobsuche und dem Ausfüllen von Formularen. Manchmal muss ein Jugendlicher Sozialstunden leisten und benötigt Hilfe”, sagt Alex. “Wenn von uns keiner helfen kann, finden wir jemanden, der es kann.”
„Das muss jede Gruppe machen“
Jakob hat mit den Streetworkern in der Vergangenheit einen Lebenslauf verfasst. Und der 17-Jährige hat erlebt, wie schnell die Betreuer vom Jugendladen den Jugendlichen zur Seite stehen, wenn wirklich Not am Mann ist. “Einmal hat ein Freund seine Wohnung verloren”, sagt Jakob. “Die Streetworker haben sich sofort auf die Suche nach einer neuen begeben. Sie helfen uns bei Dingen, mit denen wir alleine nicht so gut zurecht kämen.” Eine junge Frau aus der Clique beispielsweise möchte daheim ausziehen. Wirklich leisten kann sie sich das von ihrem Gehalt jedoch nicht. Deswegen möchte sie Beihilfe betragen – finanzielle Unterstützung vom Staat. Ohne Hilfe der Streetworker würde das jedoch schon an dem Wust an Formularen scheitern, mit denen die junge Frau nicht zurecht kommt.
Für diese Hilfe müssen die Jugendlichen an sich nicht viel leisten. “Wir verlangen normalerweise nicht viel von ihnen”, sagt Alex. “Sie übernehmen aber Aufgaben wie das Auf- und Abbauen beim Hutzelfeuer. Nach dessen Ende haben sie noch stundenlang aufgepasst, dass das Feuer wirklich aus ist.” Außerdem würden sie beim Stadtteilfest im Sommer immer helfen. “Das ist quasi die Beteiligung am Gemeinwesen. Das fordern wir von den Jugendlichen ein. Das muss jede Gruppe machen”, sagt Streetworkerin Marlene.
Für Jakobs Clique zahlt sich das Engagement aus. Diesen Sommer steht eine Reise nach Prag an. Was genau dort passieren wird, ist noch nicht klar. Bei der Planung sollen sich jedenfall alle einbringen.